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Gerhard Marcks: Akrobaten, 1947, Bronze
Foto: Archiv Gerhard-Marcks-Haus, Bremen |
Die Plastik, mit der sich Gerhard Marcks
erstmalig in seinem bildhauerischen Werk dem Zirkus-Kosmos nähert, ist die
»Akrobaten«-Gruppe von 1947 (WV 500). Die Darstellung einer Akrobatin, die auf
den Schultern eines anderen Akrobaten steht, geht auf Gerhard Marcks’ Besuch
des St. Pauli-Zirkus in Hamburg zurück.
Knapp fünfzehn Jahre später beschäftigt
er sich noch einmal mit dieser Thematik und modelliert einen »Russischen
Akrobaten« (1961, WV 770, Inv. Nr. 310/85), der vermutlich sogar auf den
gleichen Zirkusbesuch zurückzuführen ist. Während Marcks sich bei der
Darstellung der zwei Akrobaten auf einen geometrischen Figurenaufbau mit
ruhigen Formen und strukturierten innerfigürlichen Räumen (die freien Flächen
zwischen den Beinen und den angewinkelten Armen bilden äquivalent zum
Gesamtaufbau der Gruppe Dreiecke) konzentrierte, ist für den »Russischen
Akrobaten« der Muskelaufbau und damit verbunden ein unruhiger Figurenumriss
interessant. Es kommt Marcks darauf an, die austrainierten Muskeln des
Akrobaten zu inszenieren: Schaut man auf die Oberarme und -schenkel wird
deutlich, dass sie im Vergleich zu den unteren (durchschnittlich entwickelten)
Gliedmaßen unnatürlich ausgeprägt sind. Durch diesen Gegensatz hebt Marcks sein
künstlerisches Interesse für den anatomischen Aufbau des Artisten-Körpers
deutlich hervor.
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Gerhard Marcks: Russischer Akrobat, 1961, Bronze (Inv. Nr.
310/85) |
Spannend ist, dass Marcks die Muskulatur
durch eine unruhige, unregelmäßige Figurenoberfläche sowie durch den bewegten
Umriss der Plastik betont und ihr sogar während des Modellierprozesses in aller
(ungewohnten) Deutlichkeit die Bauchmuskeln einritzt. Ebenfalls recht untypisch
für Marcks’ Plastiken ist die ausladende Geste des rechten Arms: Der Artist
streckt den Arm im rechten Winkel vom Körper und präsentiert so das Profil
seiner Muskulatur. Neben diesen Muskeln ist auch die Nackenmuskulatur zu einem
deutlichen, großen Dreieck ausgebildet. Der darauf sitzende Kopf wirkt dagegen
proportional zu klein. Auch ohne den Titel der Arbeit zu kennen, kann man durch
das reine Schauen auf das Sujet schließen, denn neben den Muskeln zeichnet sich
der Akrobat durch eine übergrade Körperhaltung aus und scheint sich nach einem
geglückten Sprung oder einer komplizierten Figur dem Publikum zu präsentieren.
Allerdings fehlen bei ihm – wie im übrigen auch bei den Zirkusreitern von
Priska von Martin – begleitende Element des Zirkusalltags. Daraus lässt sich
folgern, dass Marcks nicht etwa eine Zirkusszene zeigen wollte, sondern ihn der
»Typ Mensch«, den er in diesem Fall im Zirkus entdeckt hatte, interessiert.
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Gerhard Marcks:Akrobatengruppe und Kühe,
Ende 1940er-Jahre, Bleistift auf Papier
(Inv. Nr. D2073) |
Der Ort »Zirkus« muss für den Bildhauer
eine Chance für die Erweiterung seiner Motive gewesen sein: Im Normalfall
zeichnete Gerhard Marcks Modellstudien nach seiner Frau, seinen Kinder und
Menschen aus seinem direkten Umfeld. Es ist unwahrscheinlich, dass er unter
ihnen jemanden fand, der ähnlich muskulös war oder akrobatisches Talent besaß.
Der beste Beweis ist, dass sich keine weiteren Darstellungen dieser Art in
seinem plastischen Œuvre finden.
Im druckgrafischen Werk jedoch finden
sich weitere Darstellungen von Zirkusmomenten, die zum Teil auch Manegen und
den Zirkus an sich abbilden.
Fortsetzung folgt.