Dienstag, 17. März 2020

Wir wissen wann - wir wissen (noch) nicht wer ...


Jussuf Abbo: Porträt eines unbekannten Mannes, um 1914
Bronze, 27 cm, Nachlass Abbo, Brighton

Das Gerhard-Marcks-Haus ist zur Zeit geschlossen, aber unsere Forschung geht weiter: In der Ausstellung "Auf Augenhöhe" von Jussuf Abbo (1888?-1953) gibt es diesen Kopf, der bisher um 1940 datiert wurde (Katalog, S. 107) und als mögliches Porträt des Dichters Thomas Sturge Moore identifiziert wurde. Wir denken, dass er früher entstanden ist. Typisch für den späten Abbo, auch in seinen scheinbar naturalistischen Porträts, ist, wie eine vereinfachte plastische Grundform durchscheint, wie etwa bei dem Bildnis von Brigitte Helm.

Jussuf Abbo: Porträt Brigitte Helm, 1940er-Jahre
Terrakotta, 29 cm, Deutsche Kinematek, Brigitte Helm Archiv
Bei diesem Porträt ist es anders: Die plastischen Details stehen nebeneinander. Sie sind einzeln beobachtet, aber es gibt keinen zwingenden Zusammenhang. Das weist in Richtung einer akademischen Arbeit. Abbo besuchte zwischen 1913 und 1918 die Königliche akademische Hochschule für bildende Künste und studierte bei Ernst Herter (1846-1917) und Peter Breuer (1856-1930).


Jussuf Abbo: Maske, 1916
Bronze, 34 cm, Nachlass Abbo, Brighton
Die Maske von 1916 zeigt bereits die Grundform als Ausgangspunkt und damit wäre der Männerkopf zwischen 1913 und 1916 zu datieren.


Aber wer wurde dargestellt? Auffällig an dem Kopf ist die Gussnummer II/III. Das ist in Deutschland vor 1940 eher selten und verweist erstens auf eine Auflage von drei Exemplaren, worin sich zweitens der Hinweis verbirgt, dass die dargestellte Person prominent war (nach dem Muster: ein Guss für die Firma, ein Guss für die Familie, ein Guss für den Künstler). Dagegen spricht das völlige Fehlen von einem Ansatz von Kleidung, womit in Porträts Status markiert wurde. Es ist unklar ob Beamter, Bürger oder Militär, was im Preußischen Umfeld aber eindeutig bedeutet, dass es sich um einen der modernen Kunst gegenüber aufgeschlossenen Bürger handelt. Der Verzicht auf Status ist ein wichtiges Merkmal moderner Porträts. 

Apropos ein Guss für den Künstler: Die Plastik wurde im Sandgussverfahren hergestellt, aber jeder Guss bedeutete eine Investition für einen (armen) Künstler. Wenn Abbo den Guss selbst finanziert hat, dann entweder, um das Werk potenziellen Auftraggebern zu zeigen, oder weil er es für wichtig hielt. Da das Porträt in keiner einzigen Ausstellung auftaucht, ist die zweite Vermutung wahrscheinlicher. Dann wäre es womöglich eine der ersten Auftragsarbeiten des Künstlers und es würde eine Datierung um 1914 nur noch wahrscheinlicher machen.


Der dargestellte Mann hat zwei auffällige Merkmale (die Nase - darum nicht Sturge Moore - und das asymetrische Gesicht), so dass wir hoffen, ihn irgendwann identifizieren zu können. Und für Hinweise sind wir dankbar!    


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