Während der Arbeit entstand diese Notiz zum Material Stein, die sich im Nachlass von Günter Busch befindet.
Transkription:
4.7.1951
Stein
Die ersten Zeichen, die uns der frühe Mensch hinterließ,
sind geformte Steine; Werkzeuge zunächst, Faustkeile, Reibsteine,
Lanzenspitzen. Sobald er in ihrer Herstellung eine gewisse Fertigkeit erlangt
hat, wendet er sich vom elementaren Hilfsmittel zur Gestaltung seiner Gedanken,
Vorstellungen und Träume.
Stein ist uns der Inbegriff des Dauerhaften, [fast]
ein Symbol des Ewigwährenden. Seine Einbeziehung in die Kultur bedeutet
zweifellos eine Umwälzung in der menschlichen Geschichte.
Wieviel [Geist] Dankbarkeit hat unser Ahne
aufgebracht, sich diesen Stoff eigen zu machen: Wasser und Feuer, Druck und
Sprengkraft wurden dafür eingespannt. Bewundernd stehn wir heute vor den [oft]
zierlichen technisch vollkommenen Feuersteinwerkzeugen der sog. Ersten Steinzeit
– sie sind eigentlich nie wieder erreicht worden. Allmählich wurden diese
Werkzeuge eingesetzt für die Schaffung rein künstlerischer Formen. Ein
ungeheurer [Schöpfungs] Rausch muss damals durch die Menschheit gegangen
sein, als sie sich zum Herrn über dies Material machte. Kein Wunder, dass
damals die überzeugendsten Formen aus ihm gewonnen wurden: Eine Steinfigur der
ersten ägyptischen Dynastie oder ein peruanisches Götterbild, sie machen auf
uns den Eindruck, als wäre durch Menschenhand der Stein selbst zu Worte
gekommen. Der Geist des Steins scheint eine Ehe eingegangen zu sein mit dem
Geist des [Kunst] Menschen. Wir lesen mit Entzücken die Tugenden an ihm
ab, die er dem Künstler auferlegte abforderte: gedankenvolle
Beobachtung, unendliche Geduld und Ehrfurcht, sie adelten seine Phantasie zur
vollkommenen Form. Nie wird eine Hand zu höherer Vergeistigung des Stoffes
fähig sein. Wir spät Geborenen können nichts andres tun, als demütig bei
unsern Vorfahren zu lernen und uns zu derselben Zartheit des künstlerischen
Gewissens zu erziehen.
Mit zunehmender [technischer Fertigkeit] Technik setzt auch
bald eine Freiheit [gegenüber] ein, die gar bald in Ruchlosigkeit umschlägt –
gewagte Künsteleien werden schließlich zu unverständiger Vergewaltigung. Damit
hat der Stein seine erziehende, seine [geistige] schöpferische Funktion in
unserm Leben verloren; unfromme Geschäftigkeit vermag auch ihm nur den Geldwert
zu sehen.
Kehren wir also zu unserem Heil zu den Wurzeln zurück.
[Die letzte Zeile wurde später (um 1970) hinzugefügt.]
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